Blaue Sonne - Roter Tod: Teil 1

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Die einzige Passagierin des Erzfrachters Floyd hatte sich auf das Geländer vor der getönten Panoramascheibe in dem kleinen Aufenthaltsraum am Bug gestützt und starrte reglos auf den strahlenden blauen Stern, der das Ziel ihrer Reise markierte. Lademeister Curt Holt, der gerade eben hereingekommen war, um nach einer defekten Überwachungskamera zu sehen, konnte ein Schaudern nicht unterdrücken. Die Wochen der gemeinsamen Reise hatten kaum dazu beigetragen, sein Misstrauen gegenüber der sinistren Schönheit zu zerstreuen, die sich so gut wie gar nicht am Bordleben beteiligte und in der ganzen Zeit vielleicht drei zusammenhängende Sätze gesprochen hatte. Trotzdem glitt sein Blick unwillkürlich über ihren strammen Po, der sich provozierend unter dem hautengen, silbrig-schwarzen Catsuit abzeichnete, den sie ununterbrochen trug. „Wahrscheinlich schläft sie auch darin“, dachte er und ertappte sich beim Gedanken daran, sie hinter den Kistenstapel neben der Panoramascheibe zu zerren, um sich davon zu überzeugen, ob sich unter dem lasziven Kleidungsstück überhaupt ein weiblicher Körper befand, oder am Ende eine Ansammlung von Metall, künstlichen Nervensynapsen und illegalen Biochips. Allein, ein Blick auf die lange Klinge, die sie rechts in einem lässig um die Hüfte geschlungenen Waffengürtel trug, und der Gedanke an die großkalibrige Automatikpistole, die eigentlich in das nun leere Holster an der linken Seite gehörte und die selbst für muskelbepackte Schwerverbrecher, die ihr ganzes Leben mit dem Training an Faustfeuerwaffen verbracht hatten, eine Herausforderung darstellte und die sich nun sicher versiegelt in der Waffenkammer der Floyd befand, hielten ihn davon ab, sein Glück auf die Probe zu stellen.

„Was ist Dein Geheimnis, schweigsame Fremde? Bist Du eine Rebellin? Eine gedungene Mörderin? Und falls ja, wirst Du mit Deinem auserkorenen Opfer spielen wie eine Katze mit der Maus, bevor Du eiskalt zuschlägst?“ Holt verbannte diese Gedanken rasch aus seinem Kopf. Wenn sie tatsächlich ein Andro war, mochte sie mit neuartiger Technologie vollgestopft sein, die sogar bis in seine intimsten Gedanken vordringen könnte. Er räusperte sich. „Wir werden die Randstation in etwa achtundvierzig Stunden erreichen, Frau Lake. Wünschen sie einen Imbiss? Wenn Sie keine Raumsprünge gewöhnt sind, müssen sie völlig ausgehungert sein.“ „Sind Sie das, Holt?“ Die Passagierin hatte ihn angesprochen, ohne sich umzudrehen. Wichtiger jedoch war die Tatsache, dass sie ihn überhaupt angesprochen hatte. Der Klang ihrer Stimme ließ dem abgebrühten Raumfahrer eine Gänsehaut über den Rücken laufen. Sie war rau und trotzdem melodiös, hatte einen irgendwie eigenartigen, aber durchaus erotischen Akzent und den Unterton eines unausgesprochenen, aber mehr als angedeuteten Versprechens. Der Lademeister nickte, bevor ihm einfiel, dass sie ihn ja gar nicht sehen konnte. „Ja, Frau Lake. Verzeihen sie die Störung, aber ich habe mir Sorgen gemacht. Man sieht ja so wenig von Ihnen.“ „Und Du willst mehr sehen, Holt?“ Ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern, aber er hörte jedes einzelne Wort mit größter Deutlichkeit. Holt schluckte und merkte, wie sich unter seiner Bordkombi etwas zu regen begann. „Komm doch etwas näher zu mir.“ Noch immer hatte sie sich nicht umgedreht, aber der Lademeister war jenseits von Zweifeln oder Vorsicht. Mit feuchten Handflächen schritt er auf sie zu und malte sich bereits aus, was er mit diesem göttlichen Körper alles anstellen würde. Die Jungs würden ihn für einen total durchgeknallten Spinner halten, wenn er ihnen das erzählte.


Endlich wandte sie sich ihm zu, und zu seinem Entsetzen sah er die Spuren blutiger Tränen unter ihren wunderschönen, schwarzen Augen. „Raumseuche“, schoss es ihm durch den Kopf, und seine Erregung legte sich schlagartig. „Sie hat Ebola-Pi oder schlimmeres und wir werden alle jämmerlich verrecken.“ Sie schien seine Angst zu wittern wie ein Raubtier, und ein sinnliches Lächeln umspielte ihre Lippen. „Fühlen Sie sich nicht wohl?“, stammelte der Lademeister und begann zurückzuweichen, wurde jedoch von ihrer plötzlich vorschießenden Hand, die sich wie ein Schraubstock um seinen Arm legte, zurückgehalten. „Ein wenig schwach, wie Du schon sehr richtig bemerkt hast. Aber das werde ich gleich regeln. Zuvor jedoch eine Frage: Bist Du gläubig, kleiner Matrose?“ Holt nickte schwach, schloss die Augen und versuchte krampfhaft, sich an die Worte des Vaterunser zu erinnern, während er seine Blase unwillkürlich in seine Unterkleidung entleerte. „Dann bestell Deinem Gott schöne Grüße von mir. Ich verfluche seinen Namen, für das, was er mir und meinem Liebsten angetan hat.“ Während sie ihre blitzenden Fangzähne in seinen Hals schlug und seinen Lebenssaft gierig in sich aufsog, während die Bewegungen des Lademeisters schwächer wurden und schließlich erstarben, während Maschinenoffizier Wong ärgerlich feststellte, dass Holt schon vor einer Viertelstunde seine Schicht hätte antreten müssen und sich vornahm, dem Kapitän diesmal – Kameradschaft hin oder her – endlich Meldung über das laxe Verhalten des Lademeisters zu machen, erstrahlte die blaue Sonne Alpha Piscis Austrini in einem unnatürlichen Glanz. Dieses Phänomen löste auf sämtlichen umliegenden Raumstationen und der blühenden Kolonie auf dem den dritten Planeten umkreisenden Mond Suicide verständlicherweise Panik aus. Die Sonne galt als stabil, und der plötzliche Ausbruch in einer Stärke, wie sie – den Aufzeichnungen mittelalterlicher Astronomen zufolge – bei diesem Stern zum letzten mal vor mehr als 700 Jahren beobachtet worden war, mochte ein böses Omen darstellen. Für Stella Lake war er die einzige und letzte Hoffnung auf das Ende ihrer Einsamkeit.