Blaue Sonne - Roter Tod: Teil 5
Ein Terratrac brachte Heller direkt zur Hauptschleuse der Floyd, an welcher bereits das Quarantäne-Siegel angebracht worden war. Der Chief musterte den etwas heruntergekommen wirkenden Frachter, der keinerlei Konzernkennung aufwies und somit wohl in die Kategorie der unabhängigen Space Trucker zu rechnen war, die sich mehr schlecht als recht auf dem engen Transportmarkt durchschlugen.
Er öffnete das Siegel mit seinem Supervisor-Code, betrat die Schleuse und wartete auf den Druckausgleich. Durch die Panzerglasscheibe bemerkte er, dass im Inneren des Schiffs bereits jemand auf ihn wartete. Als sich das Innenschott öffnete, trat Sergeant Perry, ebenfalls in einen hermetisch abgeschlossenen Anzug gekleidet, auf ihn zu.
„Willkommen an Bord, Chief. Wir haben das gesamte Schiff durchsucht und das Logbuch sichergestellt. Es wird bereits ausgewertet – gemäß Ihrem Befehl über einen NOSAC.“
Heller nickte zufrieden. Er hatte die Untersuchung der Schiffsdaten über einen Non-Server-Attached-Computer angeordnet, um zu vermeiden, dass sie zu früh in den Besitz der InSic gelangten. Dieser außergewöhnliche Fall hatte seine Neugier geweckt und er hatte keine Lust, sich durch die Schnüffler von der Regierung davon abhalten zu lassen. Das würde zwar Ärger geben, aber den nahm er in diesem Fall in Kauf. Bis zu seiner Pensionierung würden noch ein paar Jahre ins Land gehen, und ein kleiner Verweis in der Personalakte war nichts für die Ewigkeit. Der Vorfall war einfach zu interessant, um die Finger davon zu lassen.
„Wo ist die Crew, Sarge?“
„Wir haben sie in die Messe gebracht, Chief. Es sind der Kapitän, der Maschinenoffizier und drei Matrosen. Die Crew besteht – vielmehr bestand – aus acht Personen, der Rest wird von Robs erledigt.“
„Sehr vernünftig. Würde ich nicht anders machen, wenn ich ein Schiff hätte. Wussten Sie, dass laut Statistik jährlich 45% mehr Schiffe durch menschliches Versagen als durch Computerfehler und KI-Psychosen verloren gehen?“
Der Sergeant lachte.
„Trotzdem mag ich keine Robs, Chief. Man kann einfach nicht wissen, was sie denken. Bei menschlichen Straftätern hat man wenigstens die üblichen Reaktionen im Verhör. Ein Rob erzählt Dir mit honigsüßer Stimme eine Lüge nach der anderen, und Du hast keine Chance, etwas davon zu bemerken.“
Sie erreichten die Messe, wo sich unter der Aufsicht von zwei Sicherheitsmännern fünf verwahrlost aussehende Raumfahrer herumlümmelten. Als Heller den Raum betrat, erhob sich einer von ihnen, der eine verdreckte, altmodische Kapitänsmütze aufhatte und trat auf ihn zu.
„Kapitän Niclas?“
„Ja, Sir. Bitte Sir, wie lange wird man uns hier festhalten? Ich muss meine Mannschaft auffüllen und meine Fracht ausliefern, sonst bin ich erledigt.“
Heller blickte ihn durch sein transparentes Helmvisier eisig an.
„Sie werden so lange hier bleiben, bis ich entscheide, dass Sie für unser System kein Sicherheitsrisiko darstellen. Und wenn es bis zum Wahlsieg der Opposition dauert.“
Kapitän Niclas schluckte trocken. In der Stimme des Chief Captain lag nicht ein Funke von Humor, und es gab offiziell keine Opposition zur von PTI unterwanderten Liberalen Einheitspartei, welche die Regierung der Terranischen Staatenunion stellte.
„Niclas, es liegt nicht zuletzt an Ihrer Kooperationsbereitschaft, wie lange die Freigabe dauern wird. Ich habe ein paar Fragen an Sie, und ich rate Ihnen, sie mir wahrheitsgetreu und vollständig zu beantworten. Das Schiff gehört Ihnen?“
„Im Grunde genommen gehört es zu fünf Sechsteln der Bank, und es wird ihr bald ganz gehören, wenn sie mich nicht meine Arbeit tun lassen.“
„Sie haben wohl was an den Ohren, Kapitän? Ich wiederhole mich nur ungern. Fracht und Ziel?“
„Eine Tonne Weichkäse, 80.000 Liter neapolitanischen Rotwein, zwei Tonnen Schweineschnitzel und diverser Kleinkram, alles aufgenommen auf Alpha Fornacis mit Ziel Ostia Spaceport.“
„Haben Sie irgendwo unterwegs weitere Fracht aufgenommen?“
„Keine, bis auf...“
Der Kapitän zögerte.
„Nun?“
„Auf Rand nahmen wir einen Passagier an Bord.“
„Sind die Daten im Logbuch?“
„Natürlich.“
Heller wandte sich an Perry.
„Sarge?“
„Stella Lake, Bürgerin des Imperiums, unbeschränktes Reisevisum für die TSU, geboren am 14.12.2217 auf Tigris, Beruf Handlungsreisende... schauen Sie sich das mal an.“
Der Sergeant reichte Heller seinen Palmtop, und dieser pfiff durch die Zähne.
„Sie sitzen ganz schön in der Scheiße, Niclas.“
Der Kapitän errötete und seine Augen verengten sich zu zornigen Schlitzen.
„Was wollen Sie damit sagen? Ich habe mir nichts zuschulden kommen lassen.“
Heller grinste böse.
„Außer einem Verstoß gegen die interstellaren Beförderungsgesetze vielleicht. Kommen Sie, Sie wollen mir doch nicht erzählen, dass sie auf eine so plumpe Fälschung hereingefallen sind?“
Niclas riss die Augen auf.
„Wie meinen sie das?“
„Dass Ihr Passagier mit einem gefälschten Visum reist, ist offensichtlich. Und für mich ist es genauso offensichtlich, dass Sie das wussten. Wie viele Illegale transportieren Sie denn so im Jahr, Kapitän? Ein einträgliches Geschäft, für das Sie wahrscheinlich ohne Problem das fünf- bis zehnfache des normalen Subtravel-Tarifs kassieren. In den Büchern wird das Standard-Entgelt eingetragen, der Überschuss fließt direkt auf eine neutrale Credcard. Kapitän Wilbur Niclas, ich beschuldige Sie im Namen der TSU des Menschenschmuggels, der Beihilfe zum Visabetrug und der Steuerhinterziehung. Sie haben das Recht, die Aussage zu verweigern; alles was Sie von jetzt ab sagen, wird aufgezeichnet und vor Gericht gegen Sie verwendet werden. Der Haftrichter wird entscheiden, ob Sie das Recht auf einen Anwalt haben. Ab sofort stehen Sie und Ihre Crew auf diesem Schiff unter Arrest.“
Niclas schwieg, während sich die hasserfüllten Blicke der Mannschaft in seinen Rücken bohrten. Heller nahm es mit einem Lächeln zur Kenntnis. Diese Männer waren genauso betrogen worden wie die Regierung und würden sich entsprechend kooperativ zeigen. Er wandte sich wieder an den Angeklagten.
„Hören Sie, ich bin kein Unmensch, ich weiß ja, wie es läuft. Wenn Sie ein umfassendes Geständnis ablegen, werde ich mich vor Gericht für Sie verwenden. Dann kommen sie vielleicht mit ein paar Jahren Strafplanet davon und ihre Männer bleiben ungeschoren. Und jetzt erzählen Sie mir der Reihe nach alles, was Ihnen zu Ihrem Passagier einfällt.“